Sinnvolle Lösungen

Auf den ersten Blick mag es einfach erscheinen, Grünabfall einfach zu verbrennen. Bedenkt man jedoch die massiven Gesundheits- und Klimaschäden, so wird klar, dass dieser vermeintlich einfache Weg eine gefährliche Sackgasse ist. Die gute Nachricht: Es gibt Alternativen.

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Alternativlos?

Nein! Im Gegenteil!

Pflanzenreste und Abfälle aus der Lebensmittelindustrie sind Wertstoffe, die ökologisch und ökonomisch sinnvoll genutzt werden können. Die Verwertungs- und Verwendungsmöglichkeiten sind vielfältig. Teilweise sind sie seit Jahrzehnten erprobt, teilweise noch in der Erforschung, auch, um unabhängig vom Erdöl zu werden.

Bei allen Alternativen ist es wichtig, dass keine Konkurrenz zur Ernährungs- oder Futtermittelproduktion entsteht. Das war das gravierende Problem der Anlagen der ersten Generation, in denen sogenannte Energiepflanzen wie Mais, Weizen oder Zuckerrüben genutzt wurden.

Anlagen der zweiten Generation arbeiten mit Bioabfällen gerade auch aus der landwirtschaftlichen Produktion oder der lebensmittelverarbeitenden Industrie.

Den meisten “Abfall” produzieren Zitrusfrüchte, die zum Verzehr ungeeignet gelten. Im Jahr 2020 wurden in Spanien 3,2 Millionen Tonnen Orangen produziert. Fast ein Fünftel der gesamten Produktion wird aufgrund von Schalenfehlern, mangelnder Größe oder Schädlingsbefall weggeworfen.

Fallobst wird ohne Nutzen, dafür aber zum Schaden von Mensch, Klima und Umwelt, auf den Feldern verbrannt.

Dass es auch anders geht, zeigen folgende Verwertungsalternativen.

Biogas

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Bioliq (Bioslurry-Vergasung)

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Bioethanol

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Bio-Kunststoff aus Orangenschalen

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Biodiesel

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Landwirtschaftliche Verwertung

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Wie sehen diese Alternativen in der Praxis aus?

Biogas

Wenn Bioabfälle unter Luftausschluss (anaerob) vergären, werden sie mithilfe von Mikroorganismen in einem geschlossenen Behälter (Fermenter) abgebaut. Während dieses Prozesses entsteht Biogas. Es setzt sich überwiegend aus Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) zusammen.

Bevor die Abfälle im Fermenter gären, werden sie zerkleinert und homogenisiert. Außerdem werden zuvor Fremd- und Störstoffe wie z. B. Kunststofftüten und Glas aussortiert.

Biogas kann in das Erdgasnetz eingespeist werden oder in einem Blockheizkraftwerk zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden (Kraft-Wärme-Kopplung). Durch Anschluss einer Absorptionskühlanlage kann auch Kälte produziert werden (Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung).

Die Forschung zur Verwertung speziell von Orangenschalen:

Mit Vorbehandlung in einer Station.

Ohne Vorbehandlung in zwei Stationen

Bioethanol

Holzige Pflanzenreste und Früchte- oder Fruchtreste können getrennt oder gemeinsam für die Erzeugung von Bio-Ethanol genutzt werden. In vielen Ländern der Welt wird an der Herstellung von Ethanol aus Biomasse geforscht, auch, um unabhängig vom Erdöl zu werden.

Beispiele:

Traubentrester: In Frankreich fährt ein Bus mit dem Sprit ED95, der zu 95 Prozent aus Bioethanol besteht, der von Firma Raisinor France Alcools aus dem Traubentrester des Bordeaux-Weines hergestellt wird. Der Kraftstoff sorgt für 85 Prozent weniger CO2-Emissionen, 50 Prozent weniger Stickoxide und 70 Prozent weniger Partikel (Feinstaub). Mit dem Ethanol aus dem Trauben-Trester des Anbaugebietes Bordeaux könnten 1.000 Fahrzeuge versorgt werden.

Apfeltrester: Bei Produktion von Apfelsaft fallen in Deutschland rund 3000.000 Tonnen Apfeltrester an, der bisher überwiegend als Tierfutter in der Schweinemast verwendet wurde. Aber auch Apfeltrester kann zur Herstellung von Bioethanol verwendet werden. Forscher der Bergakademie Freiburg haben mit einem alternativen Enzymkomplex ein Verfahren entwickelt, die langkettigen Zuckermoleküle in Einfachzucker aufzuspalten, mithilfe von Hefen zu vergären und die wasserhaltige Lösung zu Ethanol zu destillieren.

Aus Avocadoschalen und -kernen: In Mexiko wird unter Beteiligung von Universitäten aus Chile, Brasilien, Portugal, Spanien und England und unterstützt durch eine Förderung der Europäischen Union daran geforscht, Schalen und Kerne von Avocados, die ca. 45 % der Ernte von insgesamt fast zwei Millionen Tonnen Früchten allein in Mexiko ausmachen, zu Biokraftstoffen zu verwerten.

Aus Käseabfällen: Die zur Müller-Unternehmensgruppe gehörende Sachsenmilch hat in Leppersdorf eine weltweit einmalige Anlage gebaut, um aus Abfällen der Käseherstellung Biosprit zu gewinnen. Die Anlage soll zehn Millionen Liter Bioehtanol herstellen können.

 

 

Bio-Kunststoff aus Orangenschalen

PLimC. Was kryptisch klingt, ist ein grüner Alleskönner. Denn PLimC beschreibt einen biobasierten Kunststoff, der aus Orangenschalen gewonnen wird.

Diesen wird der Naturstoff Limonen entzogen, der wiederum oxidiert und dann mit Kohlendioxid verbunden wird. Daraus lassen sich dann in Folge günstig umweltfreundliche Materialien  für diverse industrielle Anwendungen herstellen.

PLimC ist ein Polycarbonat, das aus einer Synthese von Limonenoxid mit Kohlendioxid entsteht. Im Gegensatz zu herkömmlichen Polycarbonaten enthält PLimC  nicht die gesundheitsschädliche Substanz Bisphenol A.

Antibakteriell und biologisch abbaubar
Außerdem verfügt der bio-basierte Kunststoff über eine Menge Eigenschaften, die ihn für industrielle Anwendungen hochinteressant machen: Er ist hart, äußerst hitzebeständig , transparent und eignet sich deshalb besonders gut als Material für Beschichtungen wie antimikrobielle Polymere, die imstande sind, eine Anlagerung von E.Coli-Bakterien zu verhindern.

Kommen diese für Behälter in der medizinischen Versorgung und Pflege zum Einsatz, können sie das Infektionsrisiko nicht zuletzt in Krankenhäusern deutlich senken. Genauso interessant sind sie aber auch als Grundlage für Kunststoff-Implantate, von denen möglichst keine Entzündungsrisiken ausgehen sollen.

Ein anderes Anwendungsbeispiel sind wasserlösliche Polymere. Würden diese für Flaschen, Tüten und Behälter verwendet, könnte aktiv der Verschmutzung der Meere vorgebeugt werden, da sie sich in ökologisch unbedenkliche Bestandteile auflösen.

Ökologischer Kreislauf
In Italien hat das italienische Designstudio Carlo Ratti Associati (CRA) eine Saftbar gegründet, die dieses umweltfreundliche  Prinzip zum Geschäftsmodell gemacht. Denn so gesund und erfrischend frischgepresster Saft ist, so viel Abfall produziert er auch, nämlich Orangenschalen und Einweg-Plastikbecher, in denen der Saft oft serviert wird.

Im „Feel the Peel“ löst man das Problem direkt. Über eine Spirale auf dem Dach werden über 1.000 Orangen Stück für Stück vor Ort zu Saft verarbeitet und verkauft. Danach kommen die ausgepressten Schalen in einen Behälter und werden zum Trocknen aufbewahrt. Aus den getrockneten und geriebenen Schalen wird zusammen mit Polylactid (PLA) der neue bio-basierte Kunststoff hergestellt, aus dem per 3D-Drucker Plastikbecher gedruckt werden, in denen dann wiederum der Orangensaft verkauft wird. (Foto: Markus-Mainka-AdobeStock)

Landwirtschaftlicher Direktverkauf: Crowdfarming

Am Ursprungsort bestellen, am Zielort genießen: Das ist das Motto von CrowdFarming, einer Plattform gegen Lebensmittelverschwendung. Gegründet wurde sie von Junglandwirten mit dem Ziel, Lebensmittelverschwendung zu verhindern und Bauern Planungs- und Preissicherheit zu geben, unabhängig vom Zwischenhandel.

Alternative Anbaumethoden unter Verzicht auf Unkrautvernichter und Verbrennungen gehören zum Selbstverständnis der jungen Landwirte.

 

 

Landwirtschaftliche Verwertung: Ziegenfutter statt Rauchschwaden

In Kooperation mit der Universität Valencia läuft derzeit das von der EU geförderte Projekt lifelowcarbonfeed, bei dem Strauchschnitt als Ziegenfutter verwertet wird.

 

Bio-Ehtanol aus Orangen: Sogenanntes Zumosoil hat noch Erfolgssaussichten

Dass sich auch Orangen bzw. deren Schalen für die Gewinnung von Bio-Ethanol nutzen lassen, erforschte der aus Florida stammende Forscher Karel Grohmann bereits in den 1990er Jahren. Orangenschalen enthalten Zucker und Stärke. Unter Zugabe von Hefepilzen setzt eine alkoholische Gärung ein und spaltet Zuckermoleküle in Ethanol und Kohlendioxid, das klimaneutral ist, weil es durch nachwachsende Pflanzen und Früchte wieder gebunden wird.

Al Gore ermutigte Spanier
„Zumosoil“ (Sanftbenzin) war der Begriff, unter dem Al Gore, ehemaliger Vizepräsident der USA, Unternehmer und Umweltschützer, die Valencianer ermutigt hatte, einen Treibstoff der Zukunft zu produzieren. So nannte es zumindest Esteban González Pons, der damalige Umweltminister der Regionalregierung von Valencia und heutige Abgeordnete des Europäischen Parlaments. Aus vier Millionen Tonnen Zitrusfrüchten sollten bei einem Ertrag von 75 bis 80 Liter pro Tonne rund  37,5 Millionen Liter umweltfreundlichen Sprits produziert werden. Damit sollten 550.000 Autos und so 25 % des valencianischen Automobilparks versorgt werden. 2.500 direkte und weitere 20.000 indirekte Arbeitsplätze sollten geschaffen werden.

Valencia wollte wie Schweden unabhängig vom Erdöl werden. 20 Millionen Euro investierte das Unternehmen Citrotecno, unterstützt von valencianischen Partnern, in das von der polytechnischen Universität Valencia durchgeführte Projekt, das sogar ein europäisches Life-Umweltprojekt hervorgebracht hatte. Ende 2009 wurde das Werk in Silla eingeweiht.

Zu hoch hinaus
Das Werk war jedoch überdimensioniert. Die Mindestmenge an Celluloseabfällen aus der Saftindustrie konnte nicht erworben werden, weil die Saftindustrie die Abfälle zu besseren Preisen als Viehfutter verkaufen konnte. Immer höhere Gaskosten reduzierten die Rentabilität.

Außerdem kam es in Folge der Finanzkrise zu Verzögerungen bei staatlichen Subventionen. Als sich dann auch noch der Hauptgläubiger zurückzog  – die Bank hatte wegen des Pioniercharakters des Projektes auch eine Bürgschaft für ein Darlehen der staatlichen Kreditanstalt (ICO) übernommen – wurde der Betrieb 2013 eingestellt, das Unternehmen 2019 aufgelöst.

Forschungsbericht von 1994

Forschungsbericht von 2005

Warum Zumosoil 2.0 aus Orangen ein Erfolg werden kann

Die Forschung geht weiter und senkt die Kosten

  • 2010 veröffentlichte der ebenfalls aus Florida stammende Forscher Henry Daniell (University of Central Florida) eine Methode, die statt künstlichen Enzymen ein Tabakenzym verwendet, das durch Klonen von Genen aus Pilzen und Bakterien gewonnen wird und deutlich kostengünstiger ist.
  • Forscher des Instituto Politécnico National-CEPROBI in Mexiko haben im November 2018 eine Studie über vier Generationen von Rohmaterialien für die Ethanolproduktion veröffentlicht. Die Forscher beschreiben den technischen Entwicklungsstand, Chancen und notwendige weitere Forschungsinhalte, um bei der Bioethanolproduktion der 2., 3. und 4. Generation voranzukommen.
  • Forscher der Fakultät für Chemie an der Universität von Barcelona veröffentlichten im Oktober 2021 eine Studie über neues Verfahren zur Bioethanol-Dehydratisierung und Mischung durch heterogene azeotrope Destillation, das den Energieverbrauch um 50 % senkt, die Umweltverträglichkeit um 80 % verbessert und die Amortisationszeit um 1,5 Jahre verkürzt.

Foto Orange: supachai-AdobeStock

Fazit

Pflanzenreste aus der Landwirtschaft auf dem Feld offen zu verbrennen, ist die einfachste, aber schlechteste Lösung. Pflanzenreste sind Wertstoffe, aus denen die grüne Energie der Zukunft gewonnen werden kann. Sie sind viel zu wertvoll, um sie ohne Nutzen und zum Schaden von Menschen, Tieren, Umwelt und Klima zu verbrennen. Sie sind es wert, geerntet und verwertet zu werden. Es gibt so viele Möglichkeiten, aus Abfall, gerade aus biologischem Abfall, Sinnvolles zu kreieren.

Lassen Sie uns gemeinsam die Probleme lösen!

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